„Von Gewalt betroffene Frauen dürfen während der Corona-Pandemie jetzt nicht allein gelassen werden“ fordert die frauenpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Eva Lettenbauer. Ihre Anfrage ergibt, dass die Söder-Regierung nicht von einem Anstieg der Anfragen nach Frauenhausplätzen ausgeht, obwohl andere Länder auf Grund von Quarantänemaßnahmen bereits einen Anstieg an häuslicher Gewalt verzeichnet haben und auch in Deutschland ExpertInnen eine Zunahme an Fällen für möglich halten. „Wir müssen hier sofort handeln, selbst wenn noch nicht sicher ist, ob ein spürbarer Anstieg eintreffen wird.“
Eva Lettenbauer fordert einen „Notfallplan für den Fall der Fälle, um kurzfristig die Kapazitäten der Frauenhäuser erhöhen zu können. Dafür können etwa Pensionen oder auch Hotelzimmer angemietet werden.“ Die Strategie der Söder-Regierung, zuerst die Täter zu sanktionieren, bevor Frauen ein Platz im Frauenhaus angeboten werden, hält Eva Lettenbauer für gefährlich. „Erfahrungsgemäß lassen sich Täter auch von einem Kontaktverbot nicht abschrecken. Das hilft betroffenen Frauen nicht weiter.“
Die Finanzierungsfrage müsse schleunigst gelöst werde. „Der Freistaat darf bei der Frage der Finanzierung die Kommunen nicht im Regen stehen lassen“, erklärt Eva Lettenbauer. „Vielmehr muss das Sozialministerium in den anstehenden Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden verbindliche Zusagen abgeben, damit die Kommunen hier fest planen können. Wir dürfen hier nicht an der falschen Stelle sparen und müssen Frauen wirksam vor Gewalt schützen.“
Anfrage der Abgeordneten Eva Lettenbauer zum Plenum vom 25.03.2020
„Im Kontext der Berichterstattung in deutschen Medien, wonach Frauenberatungsstellen mit einer starken Zunahme der Gewalt an Frauen rechnen (z.B. https://taz.de/Frauenhaeuserin-der-Corona-Krise/!5668969/ ) frage ich die Staatsregierung: Wertet die Staatsregierung Frauenhäuser und Fachberatungsstellen/Notrufe als zur systemrelevanten Grundversorgung gehörig und gesteht damit den Mitarbeiterinnen etwa die Betreuung der Kinder zu, liegt der Staatsregierung ein Notfallplan für den Fall vor, dass a) eine Zunahme der häuslichen Gewalt oder b) ein Schließen der Frauenhäuser aus Kapazitätsgründen oder c) auf Grund von Quarantänemaßnahmen es zu einem Problem in der Aufnahme betroffener Frauen kommt (bitte einzeln aufführen) und welche Maßnahmen ergreift die Staatsregierung während der Ausgangsbeschränkungen bzw. eventuell auftretender -sperren, um Frauen Schutz vor häuslicher bzw. partnerschaftlicher Gewalt zu gewährleisten und die Unterbringung in einem Frauenhaus im Sinne der Grundversorgung zu ermöglichen?“
Antwort durch das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales:
Um Frauen, die von Gewalt betroffen sind, auch während der Corona-Pandemie umfassend zu unterstützen und auch weiterhin dynamisch, schnell und pragmatisch auf neue Herausforderungen reagieren zu können, ist das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales zum einen im ständigen Austausch mit den Dachverbänden des Hilfesystems für gewaltbetroffene Frauen und mit der landesweiten Koordinierungsstelle gegen häusliche und sexualisierte Gewalt und zum anderen mit dem Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration sowie dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege.
Mitarbeitende in Frauenhäusern, Fachberatungsstellen/Notrufen und angegliederten Interventionsstellen gehören im Rahmen der Notbetreuung zur kritischen Infrastruktur. Kinder dieser Mitarbeitenden können eine Notbetreuung in ihrer jeweiligen Kita, Tagespflegestelle, heilpäda-gogischen Tageseinrichtung oder Schule erhalten, wenn die Mitarbeitenden aufgrund dienstlicher oder betrieblicher Notwendigkeiten in dieser Tätigkeit an einer Betreuung des Kindes gehindert sind. Da es in der Gesundheitsversorgung und Pflege aufgrund der aktuellen Krisensituation zu einem steigenden Personalbedarf kommen kann, wurde für diese beiden Bereiche die Berechtigung zur Notbetreuung mit Wirkung zum Montag, dem 23. März 2020 ausgeweitet. In diesen Fällen reicht es nun aus, wenn nur ein Elternteil – statt wie in den sonstigen Bereichen der kritischen Infrastruktur beide – in der kritischen Infrastruktur tätig ist. Das Frauenunterstützungssystem ist dabei ausdrücklich eingeschlossen.
Außerdem wird derzeit geprüft, ob für im Frauenhaus Beschäftigte eine Ausnahme von der 14-Tage-Quarantäne-Regelung für Kontaktpersonen einer an COVID-19 erkrankten Person festgelegt werden können, um den weiteren Betrieb der Frauenhäuser auf jeden Fall zu gewährleisten.
Das Aufsuchen eines Frauenhauses oder einer Fachberatungsstelle/eines Notrufs für von sexualisierter und/oder häuslicher Gewalt betroffene Frauen stellt einen triftigen Grund dar, die eigene Wohnung zu verlassen.
Zunächst steht jetzt die ambulante Unterstützungsstruktur im Fokus. Es ist zu erwarten, dass zunächst die allgemeinen, niedrigschwelligen Beratungsangebote wie Ehe- und Familienberatungsstellen sowie Erziehungsberatungsstellen verstärkt nachgefragt werden und auch der Beratungsbedarf bei den speziellen Fachberatungsstellen für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen und beim Bundeshilfetelefon ansteigen wird. Bislang liegen uns dazu aber noch keine Problemanzeigen vor. Ebenso haben wir noch keine Problemanzeigen, dass sich Frauen aufgrund der Ausgangsbeschränkungen verstärkt an Frauenhäuser wenden.
Wenn es zu einer Zunahme von Fällen kommt, in denen die Notwen-digkeit besteht, das Opfer eine gewisse Zeit oder dauerhaft vom Täter zu trennen, müssen zunächst die rechtlichen Möglichkeiten, die Täter zur Verantwortung zu ziehen, genutzt werden. Hier bieten sowohl das Bayerische Polizeiaufgabengesetz als auch das Gewaltschutzgesetz ein Bündel an Maßnahmen an: Platzverweis, Kontaktverbot bis hin zur alleinigen Überlassung der gemeinsam genutzten Wohnung. Nach dem Gewaltschutzgesetz kann der Täter bis zu sechs Monaten sogar dann aus der gemeinsam genutzten Wohnung ausziehen müssen, wenn ihm die Wohnung gehört. Wir befinden uns gerade in der Klärung praxisrelevanter Fragen, wie auch bei Ausgangsbeschränkungen oder Quarantänemaßnahmen gewährleistet werden kann, dass Täter aus der gemeinsam genutzten Wohnung verwiesen werden können.
Für die Fälle, in denen die einzig sachgerechte Lösung für das Opfer das Verlassen der gemeinsam genutzten Wohnung ist, prüfen wir derzeit, inwiefern zusätzliche Unterbringungskapazitäten geschaffen werden können, und klären die damit in Zusammenhang stehenden Finanzierungsfragen. Dies gilt sowohl für Frauenhäuser, die mangels freier Plätze keine neuen Frauen aufnehmen als auch für solche, die dies aufgrund von Quarantänemaßnahmen oder aus Sorge vor der erhöhten Ansteckungsgefahr nicht tun. Dabei werden wir auch die Kommunalen Spitzenverbände einbinden, da es in erster Linie Aufgabe der Kommunen ist, eine ausreichende Zahl an Hilfsangeboten für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder zur Verfügung zu stellen.
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