11.Mai 2020 Die Corona-Krise entschleunigt unser Leben in so manchen Bereichen und so kann es vorkommen, dass Menschen sich in manchen privaten, beruflichen, schulischen oder medizinischen Dingen die Frage stellen müssen: „Kann ich das jetzt machen, oder lass ich es besser bleiben?“ In Krankenhäuser wurden in den vergangenen Wochen zahlreiche sogenannte elektive Eingriffe – also Operationen, die nicht unbedingt notwendig sind, wie etwa eine Hüft-OP – nach hinten verschoben. Das war auch gut so, denn so entlasten wir das klinische Personal und schützen alle vor Ansteckungen. Was aber geschieht, wenn Operationen und Behandlungen zwar nicht lebensnotwendig sind, aber dennoch innerhalb einer kurzen Frist vorgenommen werden müssen? Das ist etwa der Fall, wenn eine Schwangerschaft abgebrochen wird. Für mich ist klar: Diese Fristen müssen gewahrt werden können, das Recht über den eigenen Körper muss auch in der Krise uneingeschränkt gelten!
Die Rechtslage sagt aus, dass wenn sich eine Frau, für einen Abbruch der Schwangerschaft nach der Beratungsregel (§§ 5ff. SchKg und § 218a Abs. 1 StGB) entscheidet, dies vor dem Ende der 14. Schwangerschaftswoche geschehen sein muss. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass oftmals nicht viel Zeit bleibt, bis man nach dem Feststellen der Schwangerschaft zum Abbruch gelangt. Dazwischen muss die Schwangerschaftskonfliktberatung plus dreitägiger „Bedenkpause“ in Anspruch genommen werden und – in Fällen der Kostenübernahme durch die Krankenkasse – muss man noch bei der Krankenkasse vorstellig geworden sein. Wenn dann wohnortnah kein*e Ärzt*in vorhanden ist, der den Eingriff vornimmt, dann muss man in einigen Teilen Bayerns ziemlich lange Wege auf sich nehmen.
Das zentrale Problem in Bayern ist nämlich die ärztliche Versorgungslage in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche. In vielen Bezirken und vor allem auf dem Land ist die Versorgung zum Teil desaströs. Laut Antwort der Bayerischen Staatsregierung auf meine Schriftliche Anfrage gibt es in Niederbayern drei Ärzt*innen, der diesen Eingriff vornehmen; in der Oberpfalz und in Oberfranken sind es sogar nur jeweils zwei Personen. Das Durchschnittsalter der Ärzt*innen ist zudem in Unterfranken bayernweit am Höchsten und liegt bei 66 Jahren, in Oberfranken bei etwa 64 Jahren und in Oberbayern bei gut 60 Jahren. Zu der lückenhaften Versorgung gesellt sich somit eine starke Überalterung innerhalb des Personenkreises, der Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Dies führt dazu, dass gerade jetzt während der Corona-Pandemie die Versorgungslage noch schlechter werden könnte.
Ich habe deshalb gemeinsam mit meiner Fraktionskollegin Christina Haubrich drei Anträge eingebracht. Zwei beschäftigen sich mit der allgemeinen Versorgungslage, diese haben wir bereits vor der Corona-Pandemie eingereicht. In einem weiteren Antrag fordern wir gerade jetzt kurzfristige Verbesserungen für Frauen in Zeichen der Krise.
In unserem ersten Antrag fordern wir die Staatsregierung auf ihren Verpflichtungen nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz nachzukommen und eine flächendeckende Grundversorgung für alle Frauen sicherzustellen. Das Thema Schwangerschaftsabbrüche muss mehr angehenden Ärzt*innen nahegebracht werden, um in der Fläche die Anzahl der niedergelassenen Ärzt*innen, die diese Eingriffe vornehmen zu erhöhen. Auch die stationäre Versorgung muss verbessert werden. Darüber hinaus fordern wir, dass an allen Universitätskliniken Abbrüche durchgeführt werden.
In unserem zweiten Antrag beschäftigen wir uns mit Schwangerschaftsabbruch als Teil der Ausbildung der Mediziner*innen. Im Medizinstudium muss das Thema Schwangerschaftsabbruch besser verankert werden und in der ärztlichen Weiterbildung einen höheren Stellenwert erlangen. Wenn wir unsere angehenden Mediziner*innen nichts über dieses Thema lernen können, ist es nicht verwunderlich, wenn der Nachwuchs in diesem Bereich ausbleibt. Wir sehen hier also eine Chance, bereits in der Ausbildung die Weichen dafür zu stellen, die Grundversorgung langfristig zu verbessern.
Der corona-bedingte Antrag befasst sich vor allem mit der Prävention eines Versorgungsengpasses in der fachlichen Beratung der Frauen und bei der Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs. Wir brauchen in Bayern einen Notfallplan, der die Sicherstellung der Grundversorgung, einen fristgerechten Eingriff und die entsprechende Ausstattung der Beratungsstellen gewährleistet. Darüber hinaus sollen kurzfristig an den Universitätskliniken Kapazitäten für den Eingriff geschaffen werden und ein Schwangerschaftsabbruch nicht als „elektiver Eingriff“ deklariert werden können. Vielmehr soll er als medizinisch notwendig eingestuft werden. Bei den Krankenkassen soll die Staatsregierung darauf hinwirken, dass für die Kostenübernahmeerklärung nicht mehr länger das persönliche Erscheinen vor Ort relevant ist, sondern überall entweder per E-Mail oder telefonisch die Unterlagen beantragt und dann auch digital oder postalisch eingereicht werden können. Zuletzt fordern wir, dass sie die Staatsregierung im Bund dafür einsetzt, beim medikamentösen Abbruch auch telemedizinische Begleitung zu ermöglichen.
Für mich ist klar: Frauen haben das Recht, über ihren eigenen Körper entscheiden zu können. Dieses Recht muss der Staat jeder Frau garantieren. Es ist also unumgänglich, dass die Staatsregierung nun handelt, um dieses Recht zu sichern. Ein gesetzlicher Anspruch ist nichts wert, wenn nicht die Versorgungsinfrastruktur vorhanden ist, um dieses Recht zu verwirklichen. Ich fordere von der Staatsregierung, dass sie ihre Aufgaben erfüllt und Frauen in unserer Gesellschaft bei dieser schwierigen Entscheidung beisteht.
Ein Gedanke