Die Coronapandemie hat unsere gesamte Gesellschaft auf Bewährungsprobe gestellt und tut dies weiterhin. Nur sind die Auswirkungen nicht bei jedem gleich. Das zeigt nun auch eine aktuelle Umfrage des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI).1
Die Umfrage zeigt, dass aktuell mehr weibliche Beschäftigte ihre Arbeitszeit reduzieren als zu den meisten Zeitpunkten der Pandemie – obwohl Schulen und Kindertageseinrichtungen offen sind. 19 Prozent der Frauen mit betreuungsbedürftigen Kindern haben im Januar 2022 angegeben, ihre Arbeitszeit wegen der Kinderbetreuung verringert zu haben. Im Vergleich lag der Anteil der Väter, die zur Kinderbetreuung ihre Arbeitszeit reduzieren, im Januar bei knapp 6 Prozent. Durch die Omikronvariante müssen viele Eltern sich um ihre Kinder kümmern, wenn sie gerade in Quarantäne sind oder sich selbst angesteckt haben. Die Umfrage zeigt, dass weit mehr als 60 Prozent der Mütter angeben, dass sie das Gros der Kinderbetreuung übernähmen. Hier zeigt sich eine Veränderung, da während des ersten Lockdowns auch viele Väter die Kinder betreuten, oder sich Eltern die Aufgabe aufteilten. Laut WSI-Forscher Andres Hövermann seien inzwischen die Mütter stärker allein damit. Familien fallen damit in überholte Rollenmuster zurück.
Der politische Handlungsbedarf stellt sich dabei sehr klar dar. Der Freistaat ist in der Pflicht, hier nachzusteuern. Kurzfristig muss die Politik insbesondere die stark belasteten Frauen und Mütter in den Blick nehmen. Langfristig müssen wir es strukturell unterstützen, dass Familien Sorgearbeit gleichberechtigt unter allen Elternteilen aufteilen können und alle Elternteile einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit nachgehen können. Um den genauen Bedarf in Erfahrung zu bringen, braucht es eine umfassende Studie, die nicht nur den Bund, sondern ganz konkret Bayern in den Blick nimmt. Im Rahmen der Beratung zu Drs. 18/8055 haben die Regierungsfraktionen im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie eine wissenschaftliche Begleitung befürwortet, um die Auswirkungen der Coronakrise zu erforschen, haben aber der Forderung trotzdem nicht zugestimmt. Auf erneute Nachfrage (Anfrage der Abgeordneten Eva Lettenbauer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zum Plenum vom 08.12.2020), ob die Staatsregierung einen Bedarf für eine wissenschaftliche Begleitung zur Erforschung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Coronapandemie mit besonderem Schwerpunkt auf die regionale, bayerische Lage sieht, antwortet die Staatsregierung, dass der Bedarf einer regionalen Studie angesichts der globalen Auswirkungen zweifelhaft erscheine. Diese Pandemie bringt globale, europäische, nationale und regionale Auswirkungen mit sich. Doch bisher fand keine Erforschung mit Fokus auf Auswirkungen in Bayern statt. Auf Landesebene ist für eine effektive Aufarbeitung der Herausforderungen wichtig, die regionale, bayernspezifische Situation zu betrachten und auf entsprechende Datensätze und Analysen zurückgreifen zu können. Denn die Gleichstellung in Bayern ist auch weit vom Bundesschnitt entfernt.
Im Vergleich zu anderen Bundesländern gehört die bayerische Gender-Pay-Gap zu den größten, Frauen in Bayern sind überdurchschnittlich von Altersarmut betroffen, es gibt mehr Frauen in Teilzeit und in prekären Beschäftigungsverhältnissen als in anderen Bundesländern. Aus dieser bayernspezifischen Studie sollen die konkreten Handlungsfelder hervorgehen und ein Maßnahmenpaket für die Unterstützung von Frauen und Müttern geschnürt werden. Denn nur, wenn wir die genauen Bedarfe kennen, wissen wir, wo wir nachsteuern müssen. Die Staatsregierung darf nicht länger wegschauen und Mütter mit ihren Herausforderungen alleinlassen. Dabei stehen bereits einige Maßnahmen fest, die Rahmenbedingungen für ein familienfreundlicheres Bayern schaffen können: Neben der coronabedingten Schließung von Kitagruppen und Schulklassen ist das Fehlen von Kitaplätzen bereits seit Jahren bekannt. Und das ist auch und insbesondere für Frauen ein Problem. Denn immer noch betreuen dann sie die Kinder zuhause und nicht die Väter. Um dieses Ungleichgewicht zu bewältigen, brauchen wir mehr Kitaplätze. Auch wer im Schichtdienst arbeitet, soll sein Kind gut betreut wissen. Gute Kinderbetreuung steht und fällt mit den Erzieherinnen und Erziehern. Deshalb müssen wir Arbeitsbedingungen und Bezahlung verbessern. Und es braucht eine Ausbildungsoffensive, damit sich künftige Erzieherinnen und Erzieher noch besser auf ihren Beruf vorbereiten können.
Aber auch die bayerischen Unternehmen brauch en Anreize, ihre Unternehmenskultur so zu verändern, dass ihre Beschäftigten Leben und Beruf in Einklang bringen können. So reicht beispielsweise der bisherige Unternehmenswettbewerb „Erfolgreich.Familienfreundlich“ nicht aus. Es dürfen nicht nur die 20 fa milienfreundlichsten Unternehmen prämiert werden –– es braucht eine Vergleichbarkeit zwischen den Unternehmen. Es muss das Ziel der Staatsregierung sein, Bayerns Unternehmen bis 2035 familienfreundlich zu machen und damit Eltern und insbesondere Müttern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen.
Ebenso müssen die Schulen krisenfest gemacht werden, dafür plädiert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft seit langem. Der Unterricht muss auch im Falle von Distanzunterricht aufgrund von Quarant äne für alle Schüler innen und Schüler sichergestellt werden, damit nicht Mütter in die Rolle der Lehrkraft schlüpfen müssen. Um Mütter zu entlasten, müssen zusätzlich individuelle Förderangebote stattfinden, damit Lernrückstände nicht in der Familie aufgeh olt werden müssen, sondern in den Schulen. Um Unterricht auch in Zeiten der Pandemie sowohl in Distanz als auch in Präsenz jederzeit gewährleisten zu können, müssen genug Lehrkräfte und anderes Schulpersonal zu Verfügung stehen. Um Schwangerschaften und Erkrankungen von Lehrkräften aufzufangen, muss eine ausreichende Mobile Reserve vorhanden sein.
Den kompletten Antrag findet ihr hier.