Die Hälfte der Macht für Frauen – erste Lesung zum Gesetzentwurf

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen,

seit über 100 Jahren haben Frauen inzwischen das Wahlrecht. Über 100 Jahre ist es also her, dass Frauen wählen und gewählt werden können. Seit 100 Jahren hat – so zumindest der Gedanke – Politik den Anspruch Frauen im Wahlrecht endlich gleich zu behandeln. Aber wenn wir uns dieses Haus ansehen, dann ist die Zahl 27% Frauen ehrlich gesagt vor allem eines: Beschämend.

Bayern braucht ein „Hälfte der Macht“-Gesetz. Denn die Hälfte der Macht für Frauen ist genau das, was Gleichberechtigung und Gleichstellung bedeutet. Dadurch gewinnt ganz Bayern!

Klar ist aber auch: Hälfte der Macht ist schnell gesagt. Das Ziel weiblicher zu werden haben ja auch sie, Herr Söder sich mal auf die Fahnen geschrieben. Es reicht aber nicht aus, Ziele auszugeben. Die Politik; dieses Hohe Haus ist dafür verantwortlich den über 6 Millionen Frauen in Bayern ENDLICH die Hälfte der Macht zuzusichern. Und dafür wollen wir, ja dafür müssen wir das Wahlrecht ändern und die Verfassung konkretisieren. Mit Freiwilligkeit und Selbstverpflichtung von Parteien haben wir es in 100 Jahren geschafft, dass ein Viertel der Abgeordneten weiblich ist.

Liebe Kolleg*innen der Regierungsfraktionen, ich werde mich nicht damit abfinden, dass durch Ihr Nichtstun noch einmal 100 Jahre verstreichen, bis Frauen endlich die Häfte der Abgeordneten in diesem Hause stellen.

Wir legen heute ein Hälfte-der Macht-Gesetz vor, das die Rahmenbedingungen für echte Teilhabe für Frauen, für die Hälfte der Bevölkerung schafft. Das ist unser Anspruch als Grüne Fraktion, und das sollte unser aller Anspruch sein, liebe Kolleg*innen der Regierungsfraktionen.

Wir wollen, dass in jedem Stimmkreis ähnlich wie in Frankreich zwei Abgeordnete direkt gewählt werden: Ein paritätisches Stimmkreis-Duo. Dafür werden immer zwei Stimmkreise zu einem zusammengefasst, so bleibt die Anzahl der Stimmkreisabgeordneten gleich. Die Wähler*innen haben daher künftig 2 Erststimmen. Jede Wähler*in kann innerhalb eines Stimmkreises dann eine Frau und ein Mann wählen. Dabei können auch zwei Kandidierende unterschiedlicher Parteien gewählt werden. Es gewinnt die Frau mit den meisten Stimmen und der Mann mit den meisten Stimmen. So wird die Zahl der Direktmandate für Frauen angehoben und die Wahlfreiheit der Wähler*innen gesteigert.

Auch die Listenmandate wollen wir fair paritätisch zuteilen: Dazu werden die Sitze im Landtag anhand des Wahlergebnisses abwechselnd auf die Kandidatin mit der jeweils höchsten Stimmzahl und dann auf den Kandidaten mit der jeweils höchsten Stimmzahl zugeteilt. Damit schaffen wir es, dass nicht nur über die Erststimme, sondern auch über die Listen ein hälftiger Anteil Frauen in den Landtag gewählt wird. Menschen, die ihre Geschlechtszugehörigkeit jenseits des binären Systems sehen, Menschen mit der Geschlechtsbezeichnung „divers“ oder ohne Geschlechtseintrag können wählen für welchen Teil des Stimmkreisduos sie kandidieren.

Und zum Abschluss braucht Bayern eine Verfassungsänderung, die ein für alle Mal festschreibt, dass die Hälfte der Macht, die Hälfte der Regierungssitze, die Hälfte der Minister*innen Frauen sein müssen. Denn dass, was wir bisher an Frauenpower sehen, ist – da stimmen Sie mir sicher zu, sehr geehrte Ministerinnen (falls anwesend) – zu wenig. Da geht viel mehr! Wenn jeder zweite Stuhl hier mit Frauen besetzt ist, werden auch die Rahmenbedingungen für Frauen und Eltern als Landtagsabgeordnete auf direktem Weg besser – weil Frauen sie selbst ändern können.

Ich komme zurück zum Beginn meiner Rede: Es reicht nicht aus, Ziele auszugeben. Nur “Wir wollen mehr Frauen“ zu sagen. Das ist dieses ständige Ankündigen und dann nichts machen. Ist wie 10.000 neue Wohnungen ankündigen und dann nur nicht mal 10% davon schaffen. Ist wie neue Windräder in den Staatsforsten ankündigen und dann kann keine bauen. Ich habe diese Söder-Manier satt. Beim Wohnungsbau, beim Klimaschutz und bei Frauenrechten.

Liebe Kolleg*innen. Über 100 Jahre sind zu viel. Lassen sie uns diesen Missstand, dieses vor uns hergeschobene Problem endlich angehen. Für die Hälfte der Macht den Frauen. In Parlament und Staatsregierung.

Dankeschön!

Weitere Artikel zum Thema