Jugendarmut bekämpfen und Jugendhilfe stärken

Im Frühjahr 2020 waren in Bayern etwa 320.000 junge Menschen zwischen 14 und 25 Jahren von Jugendarmut betroffen. Dies zeigte meine Schriftliche Anfrage im bayerischen Landtag.

„Jeder 5. junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren und jeder sechste junge Mensch zwischen 14 und 17 ist arm. Täglich Mangel, finanzielle Nöte und oft soziale Ausgrenzung zu erleben im reichen Bayern ist eine Schande. Ein Sportschuhe in der richtigen Größe, ein Geschenk für die Geburtstagsparty der Schulfreundin oder die Teilnahme am Klassenausflug darf kein Luxus sein – es ist erschreckend, dass für jede*n sechste*n Schüler*in Armut täglich präsent ist und die Staatsregierung wegschaut.“ Eva Lettenbauer, MdL

Armut führt zu einer deutlich geringeren Lebenserwartung und wird in Deutschland viel zu häufig an die nächste Generation weitergegeben: der soziale Aufstieg, den gerade Jugendliche meistern können sollten, gelingt in Deutschland und auch in Bayern zu selten.

„Jugendarmut hat sich aller Voraussicht nach durch die Corona-Pandemie zusätzlich zugespitzt. Die Bildungsungerechtigkeit verschärft sich. Jetzt sind konkrete und effektive Maßnahmen zu Bekämpfung der Jugendarmut in Bayern nötiger denn je.“ Eva Lettenbauer, MdL

 

Antragspaket: Jugendarmut bekämpfen und Jugendhilfe stärken

Um die konkrete Situation sozialbenachteiligter Jugendlichen in Bayern im Blick zu behalten und frühzeitig, gezielt und effektiv reagieren zu können, aber auch um den Erfolg staatlich finanzierter Programme evaluieren zu können, braucht es eine verlässliche, stets aktuell gehaltene Datenlage. Deshalb fordern wir einen Jugendarmut Monitor für Bayern, um wirksame Maßnahmen planen, umsetzen und evaluieren zu können.

Zentral für ein Leben ohne Armut, ist es ein Dach über dem Kopf haben. Junge Menschen, die wohnungslos sind besonders vulnerabel und geraten leicht in Abhängigkeitsbeziehungen, die von Misshandlungen, sexuellem Missbrauch und Substanzmissbrauch gekennzeichnet sein können. Besonders „Care Leavers“, also Jugendliche, die mit 18 Jahren oder nach Abschluss einer ersten Ausbildung das System der „Kinder- und Jugendhilfe“ verlassen, ohne familiäre Netze, fehlt bei Wohnungslosigkeit neben dem Dach über dem Kopf auch verlässliche Unterstützung durch vertraute Erwachsene. Wir fordern daher pädagogisch begleitete Wohnformen für junge Wohnungslose zu schaffen.

Das Leben rockt man am besten gemeinsam. Deshalb setzen wir uns für mehr staatliche Förderung für evidenzbasierte Mentoringprogramme für benachteiligte Jugendliche ein. Wohlbefinden, Verhalten, Selbstvertrauen, Schulnoten und Arbeitsmarktaussichten verbessern sich – nach nur einem Jahr eins-zu-eins-Mentoring durch ehrenamtliche Studierende. Mentoring-Programme, deren Wirksamkeit wissenschaftlich überprüft wird, haben das Potenzial, die Bildungs- und Berufsbiografie benachteiligter Jugendlicher nachhaltig positiv zu beeinflussen.

Eine Berufsausbildung und deren erfolgreichen Abschluss ist der vielversprechendste Weg aus der Armut heraus. Deshalb wollen wir eine Ausbildungsgarantie einführen und assistierte Ausbildung stärken. In Bayern gibt es zwar genügend Ausbildungsplätze, Betriebe haben oft sogar Nachwuchssorgen, jedoch funktioniert die Vermittlung von Azubis an Unternehmen zu häufig nicht, besonders sozialbenachteiligte Jugendliche haben Schwierigkeiten beim Übergang in eine Ausbildung. Die Ausbildungsgarantie greift genau an dieser Stelle: Jugendliche, denen es nicht gelingt, eigenständig einen Ausbildungsplatz zu erhalten, bekommen ein verbindliches, staatlich finanziertes Angebot für eine betriebsnahe Ausbildung. Möglichkeiten, diese auch als assistierte Ausbildung zu absolvieren, verringern die Wahrscheinlichkeit für Ausbildungsabbrüche und ebnen den Weg hin zum erfolgreichen Berufsabschluss.

Armut bedeutet häufig auch Bildungsbenachteiligung, und zwar von Anfang an. Wir fordern eine systematische Begleitung der von Armut betroffenen Jugendlichen in der Schule, um erfolgreiche Bildungskarrieren zu ermöglichen und bei Belastung und Benachteiligung gezielt Unterstützung zu bieten. Von der ersten Klasse an muss in jeder bayerischen Schule ein niederschwelligen Zugang zu sozialpädagogischer Hilfe zur Verfügung stehen. Die laufenden Programme „Jugendsozialarbeit an Schulen“ (JaS), „Arbeitsweltbezogene Jugendsozialarbeit“(AJS) und“Schulsozialarbeit“ müssen unter ein Dach gebracht und flächendeckend ausgebaut werden.

Jede*r Jugendliche in Deutschland besucht eine Schule besucht und kann dort erreicht und aufgefangen werden . Damit Armut nicht zwangsweise und nicht jedes Mal zur Anregungsarmut, Rückzug und sozialem Ausschluss führt, damit aus materieller Deprivation nicht Bildungsbenachteiligung wird und damit nicht jede Ausgabe in der Schule zur psychischen Belastung wird, reichen häufig schon geringe Geldmittel. Gezielt, unkompliziert und diskret eingesetzt können solche Mittel helfen, systematische Benachteiligung und Belastung in der Schule abzubauen. Deshalb fordern wir Schulen Mittel zu direkter und unbürokratischer Unterstützung von armen Schüler*innen zur Verfügung zu stellen.

Benachteiligung manifestiert sich unter anderem auch in den Erwartungen und pädagogischen Zugängen der Lehrkräfte. Von Armut betroffene Jugendliche gibt es an jeder bayerischen Schule. Lehrerinnen und Lehrer sollen dazu befähigt werden, armutsbedingte Benachteiligung zu erkennen und ihr pädagogisch angemessen zu begegnen. Wir fordern daher die Ausbildung von Multiplikator*innen für armutssensibles Handeln an jeder Schule.

Auch in der Begabtenförderung muss armutssensibel gehandelt werden. Wir fordern die vorhandenen Förderprogramme auf Selektivität und soziale Inklusion der bayerischen Begabtenförderung zu prüfen.

Wir fordern die gesellschaftliche Anerkennung der Mitarbeitenden in der Kinder und Jugendhilfe zu verbessern und die Arbeitsbedingungen und die Attraktivität für Nachwuchskräfte zu steigern. Kinder- und Jugendhilfe aufwerten. Auch die Kinder- und Jugendhilfe unterliegt der Herausforderung eines immensen Fachkräftemangels – deutschlandweit werden bis 2025 schätzungsweise rund 125.000 Mitarbeiter*innen in diesem Bereich fehlen. Die bestehende „Herzwerker“-Kampagne der Landesregierung versäumt es, die hohe Professionalität dieses Berufszweiges zu fokussieren. Dies wollen wir ändern. Auch die Rahmenbedingungen in der Kinder- und Jugendhilfe sollen nachhaltig verbessert werden: von der Ausbildung, über die Gesundheitsvorsorge und der Weiterbildung bis hin zur Berentung.

Viele Projekte der Kinder- und Jugendhilfe sind abhängig von Ausschreibungen bei privaten und öffentlichen Förderern. Die so eingeworbenen, häufig befristeten Projekte können wertvolle Ergänzungen in der Kinder- und Jugendhilfe sein. Meistens sind solche Ausschreibungen verbunden mit der Forderung, einen Anteil an Eigenmitteln zu nutzen. Dies ist nicht nur bei befristeten Projektausschreibungen, sondern auch bei der kommunalen Förderung von Jugendhilfe, die die Grundfinanzierung bildet, der Fall. Gegenwärtig werden als Eigenmittel bei solchen Ausschreibungen auf kommunaler und auf Landesebene ausschließlich Geldvermögen anerkannt, Infrastruktur oder in Ehrenamt erbrachte Leistungen können nicht geltend gemacht werden – das wollen wir ermöglichen und die Eigenmittel der Jugendhilfe flexibilisieren. Ansonsten können sich kleinere Träger der Kinder- und Jugendhilfe die Ausweitung des eigenen Leistungsspektrums häufig nicht leisten.

 

Ein Gedanke

  1. Es wäre bestimmte Summe Geld für Jugendliche (je nachdem Regional) zu Verfügung stehen, bis sie ihre Berufliche oder Schulische Ausbildung endet. Dies Geld kann Bücher, Digitalisierung und Notwendigkeit für Privat zwecks als Darlehen (ohne Zinsen)zu Verfügen stehen. Sie können naher mit kleine Ratenzahlung zurückzahlen, wenn sie eine Arbeit haben.
    Viele Grüße

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