Zuhören statt Schönreden – Rede zum Haushalt

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleg*innen!

In der pädagogischen Praxis gibt es einen Grundsatz: Zuhören. Nur wer zuhört, kann an den Bedürfnissen anderer orientiert arbeiten. Das sollte auch in allen politischen Bereichen gelten, aber ganz besonders in denen, die sich in diesem Einzelplan – Arbeit, Familie, Soziales – finden. Leider geht die Staatsregierung aber nach dem Motto „Schönreden statt zuhören“ vor. Greifen wir mal die Berufseinstiegsbegleitung heraus. Sie hat bisher jährlich 3.500 Schüler*innen beim Übergang von der Schule ins Berufsleben gefördert. Die Berufseinstiegsbegleitung ist eines der erfolgreichsten Projekte zur Unterstützung von Schüler*innen mit besonderem Förderbedarf. Sie ist eine der wenigen Maßnahmen in Bayern, die wirklich hilft, Bildungsungerechtigkeit zu bekämpfen und Bildungsgerechtigkeit zu erreichen. Sie hat sehr, sehr vielen jungen Menschen einen guten und nachhaltigen Start in Ausbildung und Beruf ermöglicht. Was macht die Staatsregierung? – Sie beendet die Berufseinstiegsbegleitung. Liebe Kolleg*innen in den Regierungsfraktionen, hören Sie den Menschen zu! Beschönigen Sie nicht die hausgemachten Probleme! Lassen Sie junge Menschen auf dem Weg in den Beruf nicht alleine, unterstützen Sie sie bei dem Weg in ein gutes Leben!

Ganz genauso läuft es zum Beispiel bei der „Second Stage“-Förderung durch den Freistaat. In „Second Stage“-Projekten finden Frauen und Kinder nach einem Aufenthalt im Frauenhaus weiterhin Unterstützung. Sie verlängern aber hier leider wieder mal nur die wenigen Modellprojekte. Dagegen braucht es zügig eine Förderrichtlinie für eine Regelförderung, damit nicht nur an Modellorten, sondern in ganz Bayern „Second Stage“-Projekte für Frauen entstehen können. Auch hier – das haben wir vergangene Woche in der Anhörung noch einmal deutlich gehört – rufen die Träger, rufen die Menschen nach Planungssicherheit. Es braucht deutlich mehr Plätze und eine langfristige Finanzierung.

Ganz besonders braucht es dies angesichts der eklatant fehlenden Frauenhausplätze in Bayern. Hier verweigert die Staatsregierung es quasi aus Tradition, eine angemessene Anzahl zu schaffen. Träger und Kommunen rufen aber seit Jahren nach mehr und nach besserer Unterstützung. Liebe Frau Sozialministerin, brechen Sie mit der Tradition Ihrer Vorgängerinnen und machen Sie dieses Verantwortungs-Schwarze-Peter-Spiel nicht mehr mit! Es ist Aufgabe des Freistaats, Frauen ausreichend Schutzräume vor Gewalt bereitzustellen und nicht Kennzahlen oder Werte schönzurechnen oder schönzureden.

Zuhören statt schönreden, handeln statt Verantwortung hin- und herschieben – das muss unsere Maxime sein. Auch wenn es um die Jugendhilfe in Bayern geht, wird von der Regierungskoalition leider wieder schöngeredet. Die freien Träger sollen mehr Jugendhilfe anbieten. Genauso so ist es; das ist wichtig. Aber damit ein Träger Finanzierung des Freistaats für mehr Angebote bekommt, muss er mehr eigenes Geld vorweisen. Das ist aber nicht vorhanden. Woher auch? – Eigenanteil der Träger darf nicht nur Bargeld sein. Eigenleistung muss anerkannt werden. Wir GRÜNEN haben dazu bereits einen Gesetzentwurf eingebracht. Liebe Kolleg*innen, Sie standen hier am Redepult und haben uns erzählt, dass es kein Problem gibt. Ich kann Ihnen sagen: Auf mich sind Träger aus ganz Bayern zugekommen und haben sich dafür bedankt, dass wir das Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben. Hören Sie auf Träger, Jugendliche, Frauen, Bürger*innen oder im Zweifel auf die reine Vernunft! Ich habe eine gute Nachricht, liebe Kolleg*innen in der Staatsregierung und in den Regierungsfraktionen: Zuhören ist eine erlernbare Kompetenz. Dann muss man auch gar nichts mehr schönreden; denn dann kann man endlich handeln.

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