Anfrage zum Plenum: Umsetzung der Istanbul-Konvention in Bayern

Meine Anfrage: Ich frage die Staatsregierung bezüglich der Umsetzung der Istanbul-Konvention des Europarats in Bayern, welche konkreten Fortschritte sie seit der Implementierung der Konvention (insbesondere beim Ausbau der Hilfsinfrastruktur in Bezug auf die Bedürfnisse von Frauen mit Behinderungen, beim Angebot an niedrigschwelligen Hilfsangeboten für Frauen mit psychischen Erkrankungen und/oder Suchtproblemen, bei Maßnahmen zum Schutz von vor Gewalt bedrohten und gefährdeten geflüchteten Frauen, bei der Planung einer Kontroll- und Monitoringstelle auf Landesebene, deren organisatorischer Ansiedlung sowie Kompetenz- und Finanzausstattung, und beim Gewaltschutz von pflegebedürftigen Menschen im Alter und bei Behinderung) erzielt hat, wo sieht die Staatsregierung bei den zuvor genannten Punkten weiteren Handlungsbedarf und welche konkreten Ver-besserungen sind diesbezüglich gerade in Bearbeitung (bitte die einzelnen Kategorien je Teilfrage getrennt beantworten)?

Antwort des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales:

Das Übereinkommen des Europarates vom 11.05.2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegenFrauen und häusliche Gewalt (sog. Istanbul-Konvention) ist nach Ratifizierung durch Bundesgesetz vom 17.06.2017 für Deutschland am 01.02.2018 in Kraft getreten.Bereits am 21.06.2018 hat dieStaatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, Kers-tin Schreyer,dem Landtag einen Drei-Stufen-Plan zum Gewaltschutz und zur Gewaltprävention zugeleitet.Dessen Stufe 1 ist bereits umgesetzt: Im Rahmen des ersten Nachtragshaushalts 2018 wurde der Haushaltsansatz für die Förderung der Frauenhäuser und der Not-rufe/Fachberatungsstellen um 1,5 Mio. Euro aufgestockt. Damit wurde bei den Frauenhäusern die zum 01.01.2017 erfolgte Fördererhöhung verstetigt und die Betreuung und Beratung der ins Frauenhaus mitgebrachten Kinder verbessert. Bei den Notrufen/Fachberatungsstellen wurden die Arbeitsbereiche Prävention und Geschäftsführung/Leitung gestärkt.Für ein umfassendes Gewaltschutz-und -präventionskonzept (= Stufen 2 und 3) wurden in den Doppelhaushalt 2019/2020 24 Mio. Euro eingestellt. 16 Mio. Euro davon sind für qualitative und quantitative Verbesserungen des Hilfesystems fürgewaltbe-troffene Frauen und ihre Kinder vorgesehen.

Zur Umsetzung wurde zwischenzeitlich der Entwurf einer Richtlinie für die Förderung von Frauenhäusern, Fachberatungsstellen/Notrufen und angegliederten Interventionsstellen erstellt, der vor allem deutliche Personalverbesserungen für die Frauenhäuser und Fachberatungsstellen/Notrufen enthält. Damit sollenFrauenhäuser und Fachberatungsstellen/Notrufe in die Lage versetzt werden, auch Frauen mit einem erhöhtem Beratungs-und Betreuungsbedarf wie Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen, psychischen Erkrankungen oder Suchtproblemen oder Frauen mit Fluchthintergrund besser zu versorgen.Zusätzlich hat das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS) eine neue Förderrichtlinie entworfen, mit der der Ausbau sowie die Anpassung von Frauenhausplätzen an besondere Bedarfe gefördert werden sollen. So können zum Bei-spiel bedarfsgerechte bauliche bzw. technische Veränderungen vorgenommen werden, um den Zugang zu Frauenhausplätzen für körperbehinderte Frauen, für Frauen mit Sehbehinderungen oder Frauen mit Hörbehinderungen zu erleichtern. Zudem ste-hen im Doppelhaushalt 2019/2020 ab dem Jahr 2020 Gelder zur Verfügung, um ne-ben Ausgaben für Dolmetscherdienste zur Sprachmittlung neu auch Ausgaben für Gebärdensprachdolmetscherdienste (d. h. für gehörlose Frauen) in Frauenhäusern und Fachberatungsstellen/Notrufen fördern zu können.Die beiden Richtlinienentwürfe sind bereits mit dem Landkreistag, dem Städtetag und der Freien Wohlfahrtspflege Bayern abgestimmt und befinden sich derzeit in der Ab-stimmung mit dem Staatsministerium der Finanzen und für Heimat sowie dem Obers-ten Rechnungshof.Zum Schutz aller in bayerischen Asylunterkünften untergebrachten Personen hat der Freistaat ein umfangreiches Schutzkonzept entwickelt. Darüber hinaus sind sog. Gewaltschutzkoordinatoren im Bereich der Erstaufnahme und der Anschlussunterbringung eingesetzt, die in enger Zusammenarbeit mit den untergebrachten Personen, sowie den dort eingesetzten Mitarbeitern für die praktische Umsetzung des Gewaltschutzkonzeptes zuständig sind. Die Gewaltschutzkoordinatoren sind speziell ge-schultes Personal, sensibilisieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterder jeweiligen Unterkunftsverwaltung für das Thema Gewaltschutz, stehen mit lokalen Fachstellen in Kontakt und beraten die jeweiligen Bezirksregierungen hinsichtlich der Entwicklung des Gewaltschutzkonzeptes, Herausforderungen und Erfordernissen. Ergänzend werden Organisationen, die auf die Identifizierung und Betreuung von Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution spezialisiert sind, eingebunden (SOLWODI und JADWIGA); deren staatliche Fördermittel wurden im Doppelhaushalt 2019/2020 erhöht.Weiterhin wird die Möglichkeit zur separaten Unterbringung von Frauen in bayerischen Asylunterkünften weiter ausgebaut. Es existieren bereits viele Unterkünfte im Bereich der Anschlussunterbringung, die ausschließlich für die Unterbringung alleinreisender Frauen und Familien genutzt werden, und spezielle nur mittels eines Chipkarten-Zugangssystems betretbare Gebäude ausschließlich für Frauen in den ANKER-Einrichtungen. Darüber hinaussteht geflüchteten Frauen, welche von Gewalt bedroht sind, bei entsprechendem Bedarf auch der Zugang zu den Frauenhäusern und Fachberatungsstellen/Notrufen offen.Hauptadressatin von Artikel 10 der Istanbul-Konvention (Koordinierungsstelle) ist die Bundesregierung. Bei der Konferenz der Gleichstellungs-und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK) 2018 haben sich die Länder einstimmig für die Einrichtung einer unabhängigen, außerhalb der Bundesre-gierung angesiedelten Monitoring-Stelle ausgesprochen. Auf der diesjährigen GFMK (6./7. Juni 2019) steht ein Beschlussvorschlag, wonach die Bundesregierung gebeten werden soll, eine Koordinierungsstelle zu benennen bzw. zu errichten sowie eine un-abhängige Monitoring-Stelle einzurichten und gemeinsam mit den Ländern in einem geregelten Verfahren die zu sammelnden Daten zu bestimmen.In Bayern ist geplant, eine außerhalb der Staatsregierung angesiedelte Landeskoor-dinierungsstelle gegen häusliche bzw. sexualisierte Gewalt an Frauen einzurichten. Hierfür stehen im Doppelhaushalt 2019/2020 insgesamt 375.000 Euro zur Verfügung. Die genaue Aufgabenbeschreibung wird derzeit noch festgelegt.Das Staatsministeriumfür Gesundheit und Pflege beabsichtigt, ein niedrigschwelliges Beratungsangebot zum Gewaltschutz für Pflegende einzurichten. Die Richtlinie für Heilpädagogische Tagesstätten, Heime und sonstige Einrichtungen für Kinder und Jugendliche und junge Volljährige mit Behinderung vom 01.07.2019 beinhaltet umfangreiche Qualitätsanforderungen an die Träger und die Einrichtungen zum Schutz der betreuten Kinder und Jugendlichen mit Behinderung. Wesentliche Verpflichtun-gen nach dieser Richtlinie sind das Vorliegen und die Umsetzung von Konzepten zum Gewaltschutz, zur Gewaltprävention, zu Beteiligungsverfahren und Beschwerdemöglichkeiten und die enge Einbindung von Eltern und Sorgeberechtigten.

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