Rede zur Aktuellen Stunde: „Rückschlag für die Gleichberechtigung verhindern: Frauenrechte in der Corona-Krise stärken!“

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Pandemie hat Bayern wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich getroffen. Menschen mussten ihre sozialen Kontakte einschränken, viele Menschen haben ihren Arbeitsplatz verloren, viele haben einen geliebten Menschen verloren. Ja, das Corona-Virus macht keinen Unterschied nach Geschlecht, sozialer Herkunft oder Hautfarbe. Trotzdem sind die Konsequenzen der Pandemie für bestimmte Gruppen deutlicher zu spüren. Dazu zählen besonders Frauen.

Ich will, dass wir die Fortschritte in der Gleichberechtigung über die vielen Jahrzehnte hinweg nicht wieder einbüßen. Wir müssen sicherstellen, dass die Frauenrechte in der Krise geschützt werden. Retraditionalisierung der Geschlechterrollen – das mag für manche unauffällig klingen, aber es bedeutet die Gefahr, dass Frauen in ihren Freiheiten ganz grundsätzlich massiv eingeschränkt werden, dass sie nach Hause gedrängt, dass sie zurückgedrängt werden. Genau das darf nicht passieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frauen müssen sich hier in Bayern verwirklichen und ihre beruflichen Ziele gestalten können. Jetzt ist die Zeit dafür, Frauenrechte langfristig zu sichern und die Krise zu nutzen. Gerade Frauen sind es, die während des Lockdowns die unbezahlte Sorgearbeit übernommen haben, weil Kitas und Schulen geschlossen waren. Es waren Frauen, die im Zweifelsfall ihren Job an den Nagel gehängt haben oder kürzergetreten sind. Gleichzeitig sind es vor allem Frauen, die an vorderster Stelle in den systemrelevanten Berufen unsere Gesellschaft am Laufen gehalten haben, an der Supermarktkasse, in den Pflegeeinrichtungen, in den Kitas und Krankenhäusern. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frauen sind systemrelevant, Frauenrechte sind es ebenfalls.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb ist für uns Grüne klar: Frauen brauchen mehr als nur Beifall. Frauen brauchen auch mehr als nur Anerkennung. Frauen brauchen Chancengleichheit, Frauen brauchen den Schutz ihrer Rechte. Dabei geht es sowohl um Freiheitsrechte als auch um soziale Rechte. Wir müssen hart gegen Gewalt gegen Frauen vorgehen, wir müssen dafür sorgen, dass das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ end-lich zur Realität wird, und wir müssen dafür sorgen, dass Frauen endlich die Hälfte der Macht in unserer Gesellschaft erhalten.

(Beifall)

Lassen Sie mich die einzelnen Punkte noch verdeutlichen. Schauen wir einmal auf die Sorgearbeit: Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Mai hat gezeigt, dass es vor allem Frauen sind, die während des Lockdowns die Sorgearbeit für die Kinder übernommen haben. Etwa 27 % der Frauen mit einem Kind unter 14 Jahren haben ihre Arbeitszeit reduziert. Bei den Männern waren es nur 16 %. Dazu kommt: Nur 60 % der Paare mit Kindern unter 14 Jahren, die sich die Sorgearbeit vor der Pandemie noch fair aufgeteilt hatten, tun das auch während der Krise. Das ist deutlich zu wenig.

Ich finde, diese Diskrepanz ist absolut deutlich und lässt sich nicht wegdiskutieren. Auch Männer können Stunden reduzieren. Das muss endlich als Normalität und auch von Unternehmen als selbstverständlich anerkannt werden.

Das berufliche Weiterkommen von Frauen während der Corona-Krise hat einen Gegner: veraltete Rollenbilder und alle Parteien, die diese nicht aktiv bekämpfen. Die veralteten Rollenbilder gehören endlich in die Mottenkiste der Fünfzigerjahre, ein für alle Mal.

(Beifall)

Ein Umdenken in den Köpfen reicht aber nicht aus. Bayern braucht funktionierende Strukturen. Dazu zählen umfassende Kinderbetreuung und Schulangebote für alle, die Bildungsgerechtigkeit in allen Familien sicherstellen. Wenn Eltern – und Frauen besonders – ihre Kinder aktuell selbst betreuen, dann müssen wir sie finanziell unterstützen. Wir brauchen ein Corona-Elterngeld für die Eltern, die Kinder betreuen.

Da wir gerade über das Geld reden, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Bei der Bezahlung von Arbeit müssen wir endgültig die Gleichberechtigung wirklich umsetzen. Wie lange noch müssen Frauen dafür kämpfen, gleichen Lohn für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit zu erhalten? Warum ist uns Pflege in Bayern in den verschiedenen Einrichtungen noch immer keine fairen Löhne wert? Pflege, Betreuung unserer Kinder, die Arbeit mit Menschen ist systemrelevant, und sie muss gut bezahlt werden. Dafür brauchen wir endlich allgemeinverbindliche Tarifverträge und ein Vergabegesetz, das gleiche Arbeit und Gleichberechtigung zur Pflicht in den Betrieben, die für den Staat arbeiten, macht.

Auf Landesebene können wir auch dafür sorgen, unsere Erzieher und Erzieherinnen endlich anständig zu bezahlen. Wir können den Fachkräftemangel in den Einrichtungen beheben. Bei einer zweiten Welle müssen vernünftige Konzepte, wie belastete Familien und Alleinerziehende von Anfang an unterstützt werden können, umgesetzt werden. Wir können die Sorgearbeit nicht mehr wieder hauptsächlich bei den Frauen abladen. Das alles sind wichtige Bausteine bei dem Schutz von Frauenrechten.

Aber das Problem geht noch weiter: Auch die körperliche Unversehrtheit, das Recht, über den eigenen Körper zu bestimmen, steht während der Krise aktuell unter Druck, Beispiel: Schwangerschaftsabbruch. Die Grundversorgung in Bayern ist desolat. Bei der Abdeckung mit wohnortnahen Stellen zum Abbruch einer Schwangerschaft liegt Bayern mit 139.000 Personen pro Stelle bundesweit auf dem vorletzten Platz. Bei einer Abdeckung über 100.000 spricht man schon von einer sehr schlechten Versorgungslage. Wenn Sie jetzt noch einberechnen, dass es vor allem in München Ärzte gibt, dann erkennen Sie absolut und unweigerlich die katastrophale Lage im Rest Bayerns. Während der Pandemie hat sich das Bild sogar noch verschlechtert. Viele Ärzte wollen nicht behandeln, weil sie selbst zur Risikogruppe gehören. Das Durchschnittsalter liegt bei 57 Jahren. Wir fordern, die Grundversorgung in der Fläche endlich sicherzustellen.

Auch bei dem Thema „Gewalt an Frauen“ besteht Handlungsbedarf. Viele Opfer saßen mit den Tätern jetzt in den eigenen vier Wänden fest. Viele konnten sich nicht bei den Fachberatungsstellen melden. Ich habe auch erfahren, dass besonders das Thema „Sexualisierte Gewalt, Nötigung, Vergewaltigung“ bei den Beratungsstellen wieder mehr in das Zentrum rückt. Hier müssen wir klare Haltung zeigen und hart gegen Täter vorgehen. Mein Körper gehört mir – das gilt in allen Bereichen, uneingeschränkt.

(Beifall)

Wir fordern deshalb, einerseits den Bereich der Gewaltprävention stärker zu intensivieren und ihn in den Blick zu nehmen und andererseits Angebote für Frauen zu schaffen, die die Frauenhäuser wieder verlassen. Deswegen müssen die Second-Stage-Modellprojekte nach Abschluss zügig evaluiert werden, und die Finanzierung muss langfristig auf eigene Beine gestellt werden.

All diese Probleme können politisch gelöst werden, sie werden es nur nicht. Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass es immer noch zu wenige Frauen in den Parlamenten gibt. Hier im Bayerischen Landtag haben wir den niedrigsten Frauenanteil seit 1998. Das Problem lässt sich lösen. Beschließen wir endlich ein Paritätsgesetz mit quotierten Listen und quotierten Stimmkreispaaren. Andere Bundesländer feiern längst das Inkrafttreten eines solchen Gesetzes. Wir brauchen endlich auch in Bayern, die Hälfte der Macht für Frauen.

(Beifall – Zuruf)

Wir sind hier überhaupt nicht die Hälfte. Ich denke, wir können hier alle zählen. Das würde ich jedem und jeder hier einfach mal empfehlen.

(Zuruf)

Frauen bringen nämlich andere Perspektiven ein. Sie können die Probleme von Frauen besser verstehen. Deshalb brauchen wir ein Parlament, das das Spiegelbild unserer bayerischen Gesellschaft darstellt. So können wir die Rechte von Frauen nachhaltig stärken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht hier um die Rechte, um die Zukunft der Hälfte der Menschen in Bayern. Wir brauchen eine klare Perspektive statt des Prinzips Hoffnung. Wir brauchen messbare Fortschritte statt erlebbarer Rückschritte.

Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie brüchig unsere Fortschritte waren und wie schnell sie wieder in Gefahr geraten können. Wo ist Ihr Bestreben, Elite zu sein und Elite sein zu wollen bei der Gleichberechtigung von Frauen? Das frage ich Herrn Söder. – Die Gleichberechtigung muss scheinbar hinter Ihr Profitdenken zurücktreten. Für mich und uns GRÜNE sind aber gleiche Chancen und gleiche Rechte für Frauen immer und besonders in Krisenzeiten klares Topziel: Bayern muss endlich gleichberechtigt werden – weg vom Lippenbekenntnis, hin zum Handeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

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