Rede zum Dringlichkeitsantrag „Politische Willensbildung in Zeiten von Corona nicht unnötig einschränken – Parteiversammlungen wieder zulassen“

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Den Antrag der AfD lehnen wir ab. Besonders die Tatsache, dass die Gefahr durch die Pandemie und das Ausmaß der Pandemie völlig falsch dargestellt werden, zeigt wieder einmal, wie unverantwortlich diese Partei mit der Gesundheit von jeder und jedem Einzelnen umgeht. Und ganz zu schweigen vom verlogenen und definitiv vermeintlichen Einsatz für Grundrechte durch eine Partei, die Grundrechte mit Füßen tritt.

(Beifall)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, für mich steht seit Wochen fest: Gesundheitsschutz und Versammlungsfreiheit sind zentrale Rechte, für die wir uns gleichermaßen starkmachen. Für mich steht auch fest: Neben legitimen wirtschaftlichen Überlegungen müssen bei allen Entscheidungen in der Corona-Krise immer die Menschen, die Gesellschaft und der soziale Zusammenhalt im Mittelpunkt ste-hen. Alle Hilfen wie auch Lockerungen dürfen nicht einseitig sein. Sie waren und sind es aber in einigen Bereichen. Parteiversammlungen sind einer davon.

Wir GRÜNE fordern die Staatsregierung auf, Mitgliederversammlungen der Parteien unter der Maßgabe der Einhaltung von Abstands- und Hygieneregelungen wieder zuzulassen. Derzeit klingt das Infektionsgeschehen ab. Lockerungen der bisherigen Corona-Maßnahmen wurden daher auf den Weg gebracht: in den Läden, in der Gastronomie, beim Sport und, wenn auch unzufriedenstellend, bei der Kinderbetreuung, bei den Schulen. Auch private Veranstaltungen und Vereinssitzungen mit bis zu 50 Personen in geschlossenen Räumen und bis zu 100 Personen im Freien sind ab nächster Woche möglich. Das sind richtige und für die Bürgerinnen und Bürger erfreuliche Schritte. Warum aber werden Parteiversammlungen nicht rechtssicher möglich gemacht? Parteien haben die wichtige Aufgabe in der Gesellschaft, also unter den Menschen, die politische und die gesellschaftliche Willensbildung sicherzustellen. Digitale Veranstaltungen und Online-Runden, die den Infektionsschutz rundum sicherstellen und die daher zurzeit auch für uns das Mittel der Wahl sind, sind gut und auch legitim, aber sie sind nicht die einzige Maßnahme. Auch Bürgerinnen- und Bürger-Sprechstunden in kleiner Runde sind gut und wichtig und bieten Ansprech- und Diskussionsmöglichkeit für die Menschen vor Ort. Rechtssichere Parteiversammlungen ersetzen sie aber nicht.

Wir werden noch länger mit der Pandemie leben müssen. Besonders in diesen Zeiten größter gesellschaftlicher und politischer Herausforderungen muss die Arbeit der Parteien deshalb rechtssicher möglich sein und rundum funktionieren. Jetzt, nach der Kommunalwahl, müssen außerdem viele Orts- und Kreisverbände neue Vorstandschaften wählen. Der Gesetzgeber muss sicherstellen, dass das möglich ist, um die demokratische Legitimation auf der lokalen Ebene vor Ort zu gewährleisten.

Blicken wir auch kurz ins Grundgesetz. Mitglieder- oder Vertreterversammlungen der Parteien sind von der Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 gedeckt. Aber auch die heute verkündete Verordnung der Staatsregierung zur Änderung der Fünften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung sieht noch immer keine Klarstellung bzw. Lockerung für Parteiversammlungen vor. Andere Bundesländer, und zwar 10 von 16, darunter Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, haben es längst ermöglicht, dass unter Einhaltung des Infektionsschutzes Parteiversammlungen stattfinden können. Da muss Bayern jetzt schnellstens nachziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Um auch das noch zu sagen: Ich halte es für falsch, dass die Staatsregierung den Landratsämtern und den Gesundheitsämtern jetzt den Schwarzen Peter zuschiebt, denn sie können jetzt auf Antrag Versammlungen genehmigen. Wir brauchen eine bayernweit einheitliche Regelung, keinen Flickenteppich. Auch in der Rolle des Parteivorsitzenden der CSU sollte Markus Söder den Verdacht ausräumen, dass seine Regierung das Problem entweder ignoriert oder aussitzen will, nur weil die CSU erst 2021 wieder Gremien- und Vorstandswahlen hat und daher nicht ganz so dringend rechtssichere Versammlungen braucht. Sollte diese Tatsache unbekannt gewesen sein, dann liegt das Problem jetzt auf dem Tisch. Es muss jetzt angegangen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

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