Rede zu einem bayerischem Vergabegesetz (2. Lesung)

Hier findet ihr das Video zur Rede auf Youtube.

 

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

In der Diskussion hört man allerhand Dinge, die einen erstaunen, weil sie einfach nichts mit der Realität zu tun haben. Das war auch schon bei der Ersten Lesung zu diesem Gesetzentwurf der Fall. Deshalb darf ich hier klarstellen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Auch wenn es in den Beiträgen immer wieder angedeutet wird, ist ein Mindestlohn für Bayern in der Weise, wie er hier vorgeschlagen wird, an sich nicht verfassungswidrig.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Abgeordneten der SPD)

Die CSU hat sich mittlerweile angewöhnt, die inhaltlichen Diskussionen zurückzuschrauben und einfach das Wort „verfassungswidrig“ zu rufen, sobald ihr ein Gesetzentwurf nicht taugt.

(Zuruf von der CSU: Bei was denn?)

Das macht aber Ihre Argumentation an sich nicht besser. Es gibt verfassungsrechtliche Regelungen, über die wir heute diskutieren, in ähnlicher Form in fast allen Bundesländern. Bayern ist hier ganz klar das Schlusslicht in Deutschland. Das müssen wir ändern.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Abgeordneten der SPD)

Der Mindestlohn, von dem wir hier reden, bezieht sich zunächst einmal auf den Freistaat, die Gemeinden und öffentliche Unternehmer als Arbeitgeber bzw. als Arbeitgeberin. Der Freistaat würde damit festhalten: Ich möchte meine Angestellten anständig bezahlen, nämlich mit mindestens 11,72 Euro pro Stunde. Das entspricht dem Entgelt nach der Entgeltgruppe 1 Stufe 6 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder. Das kann der Freistaat bezahlen, genauso wie jedes Unternehmen das bezahlen kann. Der Staat kann auch entscheiden, wem er welche Aufträge gibt, wenn die Regelungen klar formuliert sind und für jeden potenziellen Anbieter bzw. für jede Anbieterin identisch sind und nicht diskriminierend wirken. Dann ist das definitiv möglich.Wir verlangen von den Unternehmerinnen und Unternehmern doch nichts Unmenschliches. Wenn Sie, liebe CSU, aber der Meinung sind, dass das Bezahlen fairer Löhne diskriminierend sei, dann weist Ihr sozialer Kompass in die falsche Richtung.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Abgeordneten der SPD)

Die Realität da draußen sieht doch wie folgt aus: Bei vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kommt die aktuell gute wirtschaftliche Lage in Bayern nicht an. 2018 waren in Bayern 600.000 Menschen im Niedriglohnsektor tätig. Wie soll sich denn eine Familie das Leben in bayerischen Städten und Gemeinden leisten können, wenn die Mieten ständig steigen und sie selbst im Niedriglohnsektor feststeckt? In München reicht der Mindestlohn meist absolut nicht, um würdevoll über die Runden zu kommen. Überall im Lande gibt es zum Beispiel Alleinerziehende mit zwei Kindern, die das Gesamteinkommen von 1.822 Euro, das als Armutsgrenze festgelegt wurde, definitiv nicht erreichen.

Wenn Sie dann von Tarifverträgen sprechen, wirkt das auf die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bayern wie Hohn. Für die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bayern gilt nämlich gar kein Tarifvertrag. Die echte Tarifbindung in Bayern nimmt seit Jahren ab und liegt mittlerweile bei nur noch etwas mehr als 50%; das haben wir schon gehört. Hier darf also wirklich nicht mehr nur geredet werden, sondern hier muss gehandelt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Abgeordneten der SPD)

Natürlich brauchen wir mehr Tarifverträge. Natürlich müssen wir die Tarifbindung stärken. Der Mindestlohn bildet dennoch eine Untergrenze, die ein menschenwürdiges Leben ermöglichen soll. Denn eines ist doch klar, meine sehr geehrten Damen und Herren: Unsere Politik soll ausschließlich den Menschen dienen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Fabian Mehring (FREIE WÄHLER): Indem wir sie enteignen, beispielsweise!)

Wir als GRÜNEN-Fraktion unterstützen deshalb die beiden Teile des Gesetzent-wurfs unserer Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion. Sie sind ein guter Anfang für eine faire Bezahlung im öffentlichen Dienst und bei der Ausschreibung von Aufträgen durch den bayerischen Staat. Sie gehen uns aber leider in einigen Punkten nicht weit genug. Wir GRÜNE haben bei diesem Punkt immer eindeutig gesagt: Wir müssen auch weitere soziale und ökologische Vergabekriterien stärker in den Vordergrund stellen. Dazu gehören der Kauf umweltfreundlicher Produkte sowie die Anwendung umweltschonender Materialien und Verfahren bei der Herstellung der Produkte. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.Umwelt- und Klimaschutz sind Themen, die die Menschen in Bayern wirklich bewegen. Das sehen wir beim Einsatz für mehr Artenschutz und bei den Klima-Demos zahlreicher junger Leute. Die Menschen sind in diesem Punkt weiter als die Staatsregierung. Der Gesetzentwurf muss nachjustiert werden. Die Staatsregierung muss definitiv handeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Hinblick auf die sozialen Kriterien denken wir GRÜNE an eine betriebliche Frauenförderung sowie an die Beteiligung von Existenzgründerinnen und Existenzgründern oder von Social Entrepreneurs und an eine stärkere Einbindung von Menschen mit Behinderung. Erst heute habe ich einen Brief eines Menschen mit Behinderung erhalten. Darin beschwert er sich darüber, wie viele andere Menschen mit Behinderung, dass er es trotz Ausbildung nicht schafft, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das darf doch nicht weiter Realität in Bayern sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir geben bei öffentlichen Aufträgen das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aus. Mit diesem Geld sollten wir Firmen beauftragen, die ihrer sozialen Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft nachkommen, indem sie zum Beispiel Menschen mit Behinderung beschäftigen und sich nicht von dieser Verantwortung freikaufen. Kurz gesagt: Wir GRÜNE fordern den fairen Umgang der Unternehmen mit ihren Beschäftigten, wenn sie Staatsaufträge erhalten wollen. Das tun ganz viele Unternehmen. Diese sollten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge berücksichtigt werden, andere nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir fordern aber auch eine faire Beschaffung bei allen öffentlichen Auftraggebern. Dazu gehört zum Beispiel, dass sich die zuliefernden Unternehmen ihre Lieferketten ganz genau anschauen müssen: Wo kommen die Vorprodukte her? Unter welchen Bedingungen wurden diese hergestellt? – Zudem fordern wir auf jeden Fall verpflichtende Nachunternehmererklärungen, damit sich Generalunternehmer nicht aus der Affäre ziehen können, wenn sich Subunternehmer nicht an die Vereinbarungen halten. Außerdem haben auf diese Weise auch kleine und mittlere Unternehmen gute und gleiche Chancen; denn es ist uns wichtig, dass auch diese Unternehmen vor Ort zum Zug kommen können. Mit all diesen Punkten können wir den Druck auf die Löhne im Wettbewerb um öffentliche Aufträge begrenzen. Aus unserer Sicht muss es Ziel sein, dem langfristig wirtschaftlichsten Angebot und nicht dem preiswertesten den Zuschlag zu erteilen. Das geschieht nur, wenn wir soziale und ökologische Kriterien innerhalb eines Vergabegesetzes besser berücksichtigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Ziel, prekäre Beschäftigung in Bayern durch einen Mindestlohn und das Vergaberecht einzudämmen, ist richtig. Deswegen stimmen wir als Fraktion der GRÜNEN dem Gesetzentwurf zu.

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