Rede zum Paritätsgesetz (1. Lesung)

Hier findet ihr das Video zur Rede auf Youtube.

 

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Von der Frauenrechtlerin Hedwig Dohm stammt der Satz: „Man kommt sich auf dem Gebiet der Frauenfrage immer wie ein Wiederkäuer vor“. Diesen Satz sagte sie vor über 100 Jahren. Aber – und das ist das Traurige – dieser Satz gilt noch immer.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch 100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts kämpfen wir in Bayern immer noch für eine angemessene politische Repräsentanz von Frauen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das heißt, in Bayern müssen Frauen im Parlament die Hälfte der Macht haben.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Fabian Mehring (FREIE WÄHLER): (Beitrag nicht autorisiert) Niemand hat etwas dagegen, keine Fraktion!)

Mit der Landtagswahl im vergangenen Oktober ist der Frauenanteil im Bayerischen Landtag allerdings zum zweiten Mal in Folge gesunken, auf 26,8 %.

(Dr. Fabian Mehring (FREIE WÄHLER): (Beitrag nicht autorisiert) Da hat der Wähler falsch gewählt!)

Die Hälfte der Bevölkerung verfügt also nur über ein Viertel der Macht. In der Staatsregierung sieht es nicht besser aus. Dort sind Frauen seit jeher unterrepräsentiert. Das ist beschämend, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist also an uns als Vertreterinnen und Vertreter aller Wählerinnen und Wähler, dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung Rechnung zu tragen und den gleichberechtigten Zugang zur Macht und zur politischen Mitbestimmung für Frauen sicherzustellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir müssen den Zustand der Unterrepräsentanz von Frauen, den schon Elisabeth Selbert, eine der Mütter des Grundgesetzes, bereits 1981 als „Verfassungsbruch in Permanenz“ angeprangert hat, endlich angehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt muss gelten: Wir dürfen nicht nur reden. Wir müssen Strukturen aufbrechen, und wir müssen die Hälfe der Macht an Frauen geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßen den Gesetzentwurf unserer SPD-Kolleginnen und SPD-Kollegen. Aber für uns ist klar: Er ist nicht umfassend genug.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da nur 19 von 91 direkt gewählten Abgeordneten in den Stimmkreisen Frauen sind, müssen wir auch bei den Stimmkreiskandidierenden ansetzen. Wir möchten die paritätischen Listen. Dazu müssen wir die Anzahl der Stimmkreise halbieren und dort dann Stimmkreis-Duos bilden. In jedem der größeren Stimmkreise werden eine Frau und ein Mann gewählt. Menschen mit dem Geschlechtseintrag „divers“ berücksichtigen wir ebenfalls in unserem Gesetz. Bei ihrer Kandidatur ist ihnen freigestellt, auf welchem der Plätze sie antreten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Somit haben alle Wählerinnen und Wähler drei Stimmen: Zwei Erststimmen für die paritätisch besetzten Stimmkreisabgeordneten und auch eine Zweitstimme für die paritätisch besetzte Liste des Wahlkreisvorschlags einer Partei. Damit stellen wir komplette Geschlechtergerechtigkeit sicher.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Fabian Mehring (FREIE WÄHLER): (Beitrag nicht autorisiert) Und jeder Abgeordnete ist für eine halbe Million Menschen zuständig!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frauen müssen sich hier im Parlament selbst repräsentieren können, um ihre Interessen durchzusetzen. Beispielsweise bringen Frauen im Bundestag quer durch alle Parteien ihre Themen ein. Laut der Berliner Professorin für öffentliches Recht, Prof. Ulrike Lembke, bringen Frauen viel öfter frauenspezifische Themen und Interessen in die Debatten ein, als es Männer tun. Das mag für viele trivial sein. Wenn dies jedoch so trivial ist, ist unserer Forderung, den Frauenanteil im Parlament zu erhöhen, zu folgen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sprechen wir noch über Freiheit. Ich will, dass alle Wählerinnen und Wähler die Freiheit haben, Kandidierende aus einer gleichberechtigten Liste auszuwählen. Ich will nicht – das ist bisher bei vielen Parteien der Fall –, dass eindeutige Tendenzen zu erkennen sind und Männer die Liste dominieren. Die Freiheit aller Parteien, die das Grundgesetz gewährt, ist nicht absolut.

(Tobias Reiß (CSU): Sie schränken die Freiheit ein!)

Der Gleichheitsgrundsatz der Geschlechter in der Verfassung ist nicht weniger wert.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Fabian Mehring (FREIE WÄHLER): (Beitrag nicht autorisiert) Die Freiheit der Wahl steht in der Verfassung!)

Anhand der letzten Landtagswahl sehen wir, dass es eine Partei hier im Raum geschafft hat, in der Hälfte der Bezirke Wahlkreisvorschläge ohne eine einzige Frau zu präsentieren. Damit wird die Freiheit der Wählerinnen und Wähler eingeschränkt, und der Gleichheitsgrundsatz wird ignoriert.

(Beifall bei den GRÜNEN – Unruhe)

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