Rede zum Dringlichkeitsantrag: „Pakt für Freiheit“ auf Eis legen

Hier findet ihr das Video zur Rede auf Youtube.

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Der Wirtschaftsminister ist hier, wie schon so oft, voll über das Ziel hinausgeschossen. In einer einseitigen Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsverbänden hat er die Facharbeiterinnen und Facharbeiter von nebenan, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bayern vergessen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort „Arbeitnehmer“ kommt nämlich im Pakt kein einziges Mal vor. Das verwundert beim Lesen nicht, denn dort ist unter anderem im Pakt zu lesen – ich zitiere –: „Ermessen soll im Zweifel für die Freiheit und wirtschaftsfreundlich genutzt werden“.

(Beifall bei der FDP – Martin Hagen (FDP): Sehr gut!)

Wenn das der wirtschaftspolitische Kompass der Staatsregierung ist, kommen auf unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bayern harte und schwere Zeiten zu.

(Zuruf von der AfD: So ein Schmarrn!)

Für uns GRÜNE ist klar: Kleine und mittlere Unternehmen müssen entlastet werden – das ist keine Frage –, aber nicht mit Ihrer nicht zielführenden Idee einer Unternehmenssteuersenkung. Das Beispiel USA zeigt doch deutlich, dass das nichts bringt. Das führt zu Mitnahmeeffekten, und es wird nur minimal in Unternehmen reinvestiert.

(Martin Hagen (FDP): Die Wirtschaft boomt in den USA!)

Sie hätten stattdessen auf einen ganz anderen Hebel setzen können. Im November 2019 wurde auf Bundesebene das Bürokratieentlastungsgesetz III verabschiedet. Hier hätte die CSU als Teil der Bundesregierung oder als Staatsregierung über den Bundesrat zeigen können, wie wichtig ihr tatsächlicher Bürokratieabbau ist. Stattdessen haben Sie nur den ganz kleinen Sprung geschafft.

Sie hätten die Höhe der Ist-Besteuerung bei der Umsatzsteuer auf 2 Millionen Euro anheben können. Das würde kleinere Unternehmen gezielt entlasten, weil sie die Umsatzsteuer erst dann abführen müssten, wenn sie die jährlichen Einnahmen von 2 Millionen Euro tatsächlich erzielen. Sie hätten die Grenze für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter auf 1.000 Euro erhöhen und dafür im Gegenzug die Pool-Abschreibungen abschaffen können.

All das haben wir GRÜNE beantragt. Das und vieles mehr hätten Sie angehen können. Sie haben es aber nicht gemacht. Stattdessen formulieren Sie hier einen vagen Pakt, der die Staatsregierung wiederum auffordert, sich in Berlin und in Brüssel für den Bürokratieabbau einzusetzen. Das widerspricht sich doch komplett.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dann ist im Pakt die Rede von unnötiger Bürokratie, ohne davon zu sprechen, was Sie genau damit meinen. Dazu will ich dem bayerischen DGB-Vorsitzenden Jena Recht geben. Die von Ihnen gegeißelte Bürokratie umfasst auch Arbeitnehmer*innenrechte. Das ist der Punkt, warum Sie sich mit Gewerkschaften und Arbeitnehmer*innenvertretern und -vertreterinnen an den Tisch setzen müssen. Besonders in Zeiten der Digitalisierung dürfen die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht ausgehöhlt werden. Verpflichtende Tariftreue, ein Recht auf Weiterbildung sind dringend notwendig. Es wäre nicht schwer gewesen, ein ausgeglichenes Konzept für einen Pakt zu erstellen. Das wollten Sie aber augenscheinlich nicht.

Für uns GRÜNE ist klar: Mit uns gibt es keinen Ausverkauf der Arbeitnehmer*innenrechte in Bayern. Wir wollen nützliche Bürokratie nicht aufweichen. Der Wirtschaftsminister versucht zum Beispiel seit Monaten, die Arbeitszeiten noch weiter zu flexibilisieren und noch familienunfreundlicher zu gestalten. Wir aber sagen: Die Arbeitszeitenregelungen sind wichtig für die Beschäftigten und keine unnötige Bürokratie. Gleiches gilt für viele andere Bereiche: den betrieblichen Arbeitszeitschutz, die Gefahrenstoffverordnung – all das ist Bürokratie, aber sie stärkt und schützt die Beschäftigten in Bayern. Diese Standards müssen wir erhalten und sichern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir dürfen durch Ihre Freude an der Deregulierung die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in kleinen und mittelständischen Betrieben nicht zu Beschäftigten zweiter Klasse machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Bürokratieabbau und Entlastungen für mittelständische Unternehmen sind wichtig. Wir brauchen einen ausgeglichenen Ansatz, der die Interessen der Wirtschaft und die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter einen Hut bringt. Deregulierung darf nicht zulasten der Beschäftigten gehen. Wir als GRÜNE-Fraktion haben diesen Ausgleich immer im Blick und stimmen dem Antrag der SPD-Fraktion zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

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